Auf der Suche nach dem Richtigen
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Auf der Suche nach dem Richtigen

Liebe ist etwas Tolles, wenn man sie denn einmal gefunden hat. Und wenn nicht? Gedankenprotokoll einer Suchenden.

Dieses Plädoyer ist im März 2015 in der Ausgabe Nr. 3 erschienen. Die Fortsetzung folgt in Melchior Nr. 9.
Melchior erscheint zweimal im Jahr. Bestell dir hier die aktuelle Melchior Ausgabe zum Kennenlernen
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„Your naked body
should only belong
to those who fall
in love with your
naked soul

Dieser Satz bringt es für mich auf den Punkt: Liebe ist mehr als ein gegenseitiges Unterhaltungsprogramm. Auch wenn ich manchmal durchaus versucht war, sie dazu verkommen zu lassen. Geschmust habe ich immer schon gerne und auch ein Portiönchen Extra-Aufmerksamkeit konnte ich prinzipiell jederzeit gut verkraften. 

Jederzeit? Das stimmt so nicht. Immer wieder hätte ich auch viel dafür gegeben, dass der Ein oder Andere sich mich nicht auserkoren hätte. Es gibt ja auch unerwünschte Aufmerksamkeit. Von jemanden, bei dem das Interesse nur einseitig ist und man als Single oft nicht so recht weiß, wie man ihm das am Besten verklickert. Man ist ja irgendwie doch aus einem oder auch mehreren Gründen single. Es gibt viele Momente, in denen ich mich alles andere als „suchend“ empfinde. Da will ich niemandem anderem Rechenschaft ablegen oder Entscheidungen vom Wohlbefinden des Liebsten abhängig machen müssen. Ich bin ein spontaner Mensch und gerne mit unterschiedlichen Freundesgruppen unterwegs. Ich weiß meine Ungebundenheit zu schätzen und genieße sie. Ich tanze leidenschaftlich gerne und finde es herrlich, ein bisschen zu flirten. Es ist spannend, sich umschauen zu können, ob nicht jemand Interessantes zu erspähen ist. Oft scheint es mir nicht um das Kennenlernen meines Zukünftigen zu gehen, sondern mehr um das weniger bedeutungsschwangere Knisterknister und offenherzige Bekanntschaftenknüpfen. 

Trotzdem: Ich habe eine Sehnsucht nach mehr. Eine Sehnsucht, die beispielsweise aufgeflackert ist, als gestern eines meiner Lieblingspärchen ihre Verlobungsgeschichte erzählt hat und sich immer wieder verliebt angrinste. Da fällt es mir nicht schwer zu sagen: „Das will ich auch“. Einen Freund, Berater, Liebhaber, Vertrauten, Unterhalter, Versteher, Tröster, einen Begleiter im Leben. 

Aber eine Entscheidung für jemanden fällt mir schwer: da entscheidet man sich für jemanden, den es nur im Gesamtpaket gibt, inklusive Macken und Schwächen. Mit der Entscheidung für ihn geht eine Entscheidung gegen die unzähligen anderen Männer dieser Welt einher. Das, obwohl man genau weiß, dass der Weg zu Zweit keinesfalls immer rosig sein wird. Plötzlich muss ich diesem Jemand erlauben mir näher zu kommen, mehr zu sein und zu bedeuten. Meine eigenen Hüllen fallen und mich verletzlich machen. Dass also meine eigenen Schwächen offengelegt werden und ich mir mit einem Partner auch viele Unannhmlichkeiten einbrocke, finde ich mäßig erfreulich. Dazu kommt, dass die Erfolgsquote an geglückten Partnerschaften heutzutage überhaupt nicht verheißungsvoll ist. 

Der Sprung ins kalte “Liebes-Gewässer” könnte einem schnell vergehen. Bei mir war das aber anders. Ausrutscher auf dem “romantischen Parkett” haben mich in gewisser Weise mehr “auf den Geschmack gebracht” und dazu geführt, dass ich mich nicht mehr mit allem zufriedengebe: Trotz – oder gerade wegen – der ein oder anderen Bauchlandung, erwarte ich nicht weniger, sondern mehr von der Liebe. Wenn ich zurückblicke, haben mir meine Begegnungen mit den Nicht-Richtigen jeweils einen anderen Aspekt der Liebe eröffnet. Zwei Beispiele:

Mit siebzehn Jahren und blondem Haar ging ich nach Mali. Neben vielen anderen Dingen, waren dort auch Blondschöpfe Mangelware. So bekam ich (oder meine Haare) wöchentlich ein bis zwei Heiratsanträge. Einmal stellte mir der Sich-als-Zukünftiger-Anpreisende höflicherweise auch seine erste Frau vor. Ohne mit der Wimper zu zucken kündigte diese sogleich Arbeitsaufteilungen zwischen uns an, höchst pragmatisch. In mir rebellierte es jedoch gewaltig, erlaubte dieses polygame Lebenskonzept dieser Frau schlichtweg nicht “the one and only” zu sein, sich jemals als „genug“ verstanden zu wissen. Ab diesem Zeitpunkt war mir klar, dass es für mich der Ausschließlichkeit bedurfte – nach dem Motto: “Genug ist nie zu wenig”.

Mit 23 Jahren und immer noch blonden Haaren machte ich mich für meinen Master nach bella Italia auf. Wir waren Studienkollegen und verbrachten in der “Kennenlernphase” – größtenteils aus den Umständen heraus – unverbindlich recht viel Zeit miteinander. Zunächst verlief alles relativ harmlos: hauptsächlich haben wir viel an der Uni gequatscht, bis sich schließlich unsere tête-à-têtes unter bolognesische Säulengänge auf die Treppen vor meine Haustüre verlagerten. Wir waren Nachbarn und durch das viele gemeinsame Treppengehocke und Zigarettengerauche schnell vertraut. Alles war sehr “convenient” – unsere Treffen waren fast ausschließlich ungeplant und unkompliziert. In einer Riesengruppe internationaler Studenten freute ich mich über einen deutschsprachigen Verbündeten, mit dem ich zwischendurch einen Aperoll trinken gehen konnte. Außerdem teilten wir quasi unsere jeweiligen Mitbewohner, die sich bald gefunden hatten und es sich abwechselnd einmal bei mir zuhause, einmal bei ihm in der Wohnung gemütlich machten. Zusammen mit ein paar gemeinsam belegten Kursen und langen Tagen in der Bibliothek, genügte das, um sich geradezu zwangsläufig gerne zu haben. Alles hat sich “ergeben”. Investiert wurde nicht und daher gab es ein Heiß-Kalt, welches mit etwas Alkohol immer wieder in recht uncharmanten Rumgeknutsche endete. Ich bedeute ihm mehr, er wollte aber Sex, erklärte er. Längere Zeit zu warten, wäre schier unmöglich. 

Sein “Liebesdurststillen” basierte auf Betthupferln. Er konnte nicht begreifen warum ich die Art und Weise wie sich unsere Beziehung verselbständigt hatte als absolut “unschön” empfand. Er konnte meiner Definition des Menschen, der als geistiges Wesen zu kurz kommt mit Sex, der auf etwas rein Körperliches reduziert wird, nichts abgewinnen. Ich fühlte mich versachlicht und austauschbar, als sein “Mittel zum Zweck”. Für mich wirkte es so, als triebe ihn die Leere in ihm, mir “nahe zu sein” ohne es tatsächlich sein zu können. Küsse fühlten sich mechanisch an. Bedeutungsleer. Unsere Gespräche endeten mit einer relativ klaren Message: Ich will bzw. ich brauche Sex. Mehr als DICH. Das konnte mich nicht verführen.

Warum ich nicht von Anfang an die rote Flagge gehisst habe? Ich wollte das, was ich tiefer in ihm gefunden hatte, hervorholen. Das, was immer wieder aufkam, wenn nicht die Angst mir oder uns zu viel Bedeutung zu geben, sich verletzbar zu machen, seine Desillusion zu spüren, dazwischenkam. Er war wie gefangen obwohl er immer wieder sagte, er versuche, sich auf mich einzulassen. Wir spielten ein Spiel, das zunehmend unerfreulich wurde: Um nicht zu verlieren waren die Regeln “bekommen wollen” und “den Anderen (ge)brauchen” anstatt gemeinsam vorwärts – oder überhaupt einem gemeinsamen Ziel oder einer Zukunft entgegen – zu streben. 

Die Sehnsucht, als ganze Person bedingungslos geliebt zu werden, blieb unerfüllt. Vor allem aber scheiterte der Versuch, ihm zu verklickern, wie sehr auch er selbst das verdient hätte. 

Mr Not-Right machte mir einmal mehr klar, welche Dimensionen die Liebe zwischen zwei Menschen haben kann. Dass, auch wenn sie natürlich immer fehlerhaft ist, für die Liebe Bedingungslosigkeit und Verbindlichkeit absolut unverzichtbar sind. 

Meine Sehnsucht ist nicht nur schwülstige Träumerei, sondern kann tatsächlich der Realität entsprechen. Das weiß ich durch andere. Beispielsweise das Paar, bei dem ich mein letztes Studienjahr wohnen durfte. Seit fast vierzig Jahren gehen sie einen gemeinsamen Weg, sie haben sich frei für einander entschieden, genügen sich, bringen für einander Opfer und sind bereit, den anderen als ganze Person anzunehmen. Sie sagen, dass es immer schöner, echter und erfüllender geworden sei, mit der jeweils “besseren Hälfte”. Sie sagen es nicht nur, man sieht es ihnen an.

Ich zitiere also nochmals Chaplin, allerdings mit Korrektur: “Your naked body should only belong to THE ONE who falls in love with your naked soul!” 

Obwohl ich Mr. Right noch nicht getroffen habe, habe ich auf der Suche nach ihm, die “Liebe” kennen und lieben lernen. Mir ist bewusst, dass diese Zeit alleine sehr ausschlaggebend und durchaus bereits in Berührung mit Liebe ist: 

Statt in der Zwischenzeit sein Leben vorbeiziehen zu lassen und sich auf den einen Richtigen zu versteifen, geht es als Single eher darum zu lernen, „richtig“ in Beziehung zu treten. Alle Beziehungen – mit Freunden und Familie, entfernten Bekannten und sogar Fremden – bieten unzählige Möglichkeiten, von sich wegzuschauen und sich auf ein du einzulassen. 

Ich weiß, dass die Liebe, wie sie mich angesprochen hat, möglich ist. Ich freue mich, dieses Unterfangen irgendwann selbst zu starten: Irgendwann irgendwem meine ‚Naked Soul‘ zu zeigen. Und seine anzunehmen. 

ANNA A., 26, berät nicht nur ihre Freunde in Liebesangelegenheiten sondern auch Unternehmen in Kommunkationsfragen. 

Hol dir die ganze Printausgabe! Einfach hier bestellen zu einem Preis, den du selbst festlegst. Melchior erscheint zweimal im Jahr mit gut 80 Seiten „Auf der Suche nach dem Schönen, Wahren, Guten“.