06 Nov Duell um Gott!
Was passiert, wenn man zwei komplett gegensätzliche Weltanschauungen miteinander ins Gespräch bringt? Einen bekannten Atheisten und einen bekannten Christen über die große Gottesfrage streiten lässt? Wir haben uns an dieses Experiment herangewagt. Bestsellerautor Philipp Möller, 37, und Gebetshausmissionar Johannes Hartl, 38, nahmen sich zwei Stunden lang Zeit, im Dialog um Antworten auf die großen Fragen des Lebens zu ringen.
Das Gespräch, welches an einem heißen Sommertag per Skype stattfand, führte für Melchior Magazin Martin Iten und war im Oktober 2017 in Ausgabe Nr. 7 zu lesen. Melchior erscheint zweimal im Jahr. Bestell dir hier die aktuelle Melchior Ausgabe zum Kennenlernen.
Lieber Johannes, lieber Philipp. Schön, dass die Technik hält und dem Gespräch somit nichts im Wege steht. Ihr kennt euch beide nicht persönlich und redet hier zum ersten Mal miteinander. Da ihr beide etwa gleich alt seid, habt ihr euch einverstanden erklärt, euch gegenseitig zu duzen. Das freut mich.
Legen wir gleich los. Philipp, hast du in deinem Leben schon irgendwann mal gebetet?
Philipp Möller — Ja! Ich bin als Sohn eines katholischen Kirchenmusikers, der, seit ich denken kann, in einer Westberliner Gemeinde die Orgel spielt und den Chor leitet, aufgewachsen. Für mich war die Kirche jeweils der Ort, an dem mein Vater wunderbare Musik spielt, dabei immer wieder von einem Mann in sonderbaren Kleidern unterbrochen wird, der auch keinen Sex haben darf. Ich bin sozusagen „Backstage bei Gott“ aufgewachsen, also auf der Empore. Dementsprechend war bei uns Religion, in dem Fall der Katholizismus, immer anwesend, er wurde mir aber nicht anerzogen. So habe ich tatsächlich auch einmal gebetet, ganz alleine in meinem Zimmer, ohne dass irgendjemand zugeguckt hätte. Doch, was soll ich sagen… Ich habe es abgebrochen! Ich habe nicht zu Ende gebetet, weil ich mir selber dabei ganz merkwürdig vorkam, als ich die Hände faltete und in diese Haltung kam, um einfach ein Selbstgespräch zu führen. Es kam mir sinnlos vor und es war dann auch mein erster und letzter Betversuch.
Johannes hat sein ganzes Leben auf Gebet hin ausgerichtet und verbringt unglaublich viel Zeit damit…
Philipp Möller — …und dafür zolle ich ihm höchsten Respekt! Mit vier Kindern – nicht schlecht mein Freund! Meine Frau und ich haben zwei Kinder und wir sind froh, wenn wir es mal zu einer vollen Folge „Game of Thrones“ schaffen…
Johannes Hartl — Ich gebe dir einen Tipp: Du brauchst ein drittes und ein viertes Kind. Ohne Schmarrn! Ich fand zwei Kinder anstrengender als vier. Seit wir vier Kinder haben, finden wir wieder mehr Zeit für uns als Paar. Die Kinder beschäftigen sich irgendwann selber.
Beide lachen…
Johannes, kannst du Philipps Reaktion, wie er sein Gebet abgebrochen hat, nachvollziehen?
Johannes Hartl — Total! Auch ich bin katholisch sozialisiert aufgewachsen und hatte in meinem Teenie-Alter eine Phase, in der ich damit überhaupt nichts anfangen konnte. Es gab ein Erlebnis, als wir im Religionsunterricht eingeladen wurden, in einer Kirche zu beten. Da fragte ich mich wirklich, wie ich diesen minutenlangen Stumpfsinn überleben soll. Doch später habe ich in meinem Leben eine Erfahrung gemacht, die ich nur als Gotteserfahrung deuten kann. Und die hat für mich den totalen Unterschied gemacht. Es gibt heute immer noch Gebetszeiten, die sich trocken anfühlen und die nicht immer easy sind. Doch oft ist es so, als spreche ich mit einer Person, die nicht im Raum ist und die dann plötzlich den Raum betritt. Für mich ist die Vorstellung, dass es Gott nicht geben könnte, rein abstrakt. Ich kann Gottes Existenz zwar bezweifeln, brauche dazu aber einige Energie, weil ich einfach eine Erfahrung damit verbinde.
Philipp Möller — Mich erinnert das an den Spruch: „Wenn du mit Gott sprichst, dann nennt man es beten. Wenn er dann antwortet, nennt man es Schizophrenie.“ Ich würde mir echt Gedanken machen, wenn ich mit einer Person, die nicht im Raum anwesend ist, spräche, und dann von ihr plötzlich eine Antwort höre. Ich weiß, dass sowas für gläubige Menschen ein total besonderer Moment ist. Es gab vor Jahren mal eine Ausgabe der Zeitschrift „Gehirn und Geist“, in der Neurowissenschafter die Religion herausfordern…
Johannes Hartl — Die habe ich auch gelesen!
Philipp Möller — …darin wird klar: Letztlich ist das Beten – und das Während-des-Betens-umso-stärker-an-Gott-Glauben – eine mentale Hirnaktivität. Das Beobachten dieser Prozesse ist natürlich kein Beweis der Nichtexistenz Gottes, es ist auch kein Beweis der Existenz Gottes, sondern es beweist nur, dass es Menschen gibt, die daran glauben. Erst vor kurzem habe ich mir wieder sagen lassen, dass wir, wenn wir die Säkularisation vorantreiben wollen, alternative Glückstankstellen schaffen müssen. Denn für manche Menschen ist Gott nichts weiter als eine Glückstankstelle. Es ist ein System, in dem solche Menschen mental zuhause sind und das sie glücklich macht. Dagegen ist per se erstmal nichts zu sagen.
Johannes Hartl — Für mich ist eine persönliche Erfahrung niemals etwas, mit dem ich einen Verifizierungsmodus gehen würde. Das ist Unsinn, so könnte mir ein anderer Typ beweisen wollen, dass er Napoleon ist, nur weil er denkt, dass er Napoleon sei. Persönliche Erfahrungen können so keine Allgemeingültigkeit haben. Doch die Stärke des Theismus ist, dass er existenzielle Fragen, die Lebensfragen von beinahe allen Menschen der Menschheitsgeschichte sind, beantwortet. Und dies auf eine logische und vollständige Weise. Wohingegen der Atheismus nicht nur all diese Fragen nicht beantwortet, sondern nicht mal eine Theorie hat, warum wir uns diese Fragen überhaupt stellen.
Philipp Möller — Mein Atheismus ist für mein Leben genau so bedeutend, wie mein A-Fee-ismus: nämlich die Tatsache, dass ich nicht an Feen glaube. Atheismus ist überhaupt keine Grundlage, um philosophische, ethische oder politische Fragen zu beantworten, das ist vollkommen richtig. Da bringe ich lieber den Humanismus ins Spiel. Der ist zwar vielfach gefärbt, zum Teil auch unschön. Der Theismus hingegen versucht Antworten auf Fragen zu geben, die sich gar nicht beantworten lassen. Auf die Frage, ob es Gott gibt, lehnt sich ein Theist mit seinem Ja ganz weit aus dem Fenster. An der Stelle bin ich vielmehr Agnostiker und sage einfach: Ich weiß es nicht. Und worüber man nichts weiß, sollte man bekanntlich auch nicht sprechen. Ich kann nicht sagen, was vor dem Urknall geschehen ist, ich kann keine spirituellen Fragen beantworten und ich möchte auch niemandem auch nur im Ansatz den Eindruck vermitteln, dass ich endgültige Antworten auf solche Fragen hätte. Der Theismus tut dies allerdings sehr wohl und das werfe ich ihm vor.
Johannes Hartl — Für mich ist erstmal eine wichtige Erkenntnis, dass du, sofern ich dich richtig verstehe, mehr Agnostiker bist als Atheist.
Philipp Möller — Auf streng erkenntnistheoretischer Ebene, ja. Aber dann müssen wir uns auch fragen, ob es die Zahnfee gibt.
Johannes Hartl — Nur mit dem Unterschied, dass die explikative Kraft des Axioms Gott eine extrem hohe ist und die der Zahnfee eine absolut geringe. Es ist für die allermeisten Menschen in den allermeisten Lebenssituationen nicht wichtig, ob es eine Zahnfee gibt. Hingegen die Annahme, dass es einen Gott gibt, in entscheidender Weise für beinahe alle Menschen schon.
Philipp Möller — Was aber an ihrer Plausibilität überhaupt nichts ändert.
Johannes Hartl — Die Plausibilität ist logisch und von einer extrem hohen Stringenz. Ein aufrechter Agnostiker, der sagt, dass er sich dazu nicht äußern möchte, hat meinen vollen Respekt; wenn er denn dabei bleibt. Aber was macht ein Atheist mit Fragen wie: Warum gibt es überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts? Oder: Warum haben wir Menschen überhaupt so eigenartige Fragen wie: Was ist wahr? Was ist falsch? Gibt es ein Leben nach dem Tod? Dass die Beantwortung dieser Fragen durch die Annahme eines Gottes in irgendeiner Weise nicht logisch oder nicht stringent vollständig wäre, teile ich nie im Leben. Zu sagen, ich gebe lieber keine Antwort, als eine theistische Antwort zu akzeptieren, kann ich zwar stehen lassen, würde ich aber nicht als konsequent bezeichnen.
Philipp Möller — Ich gebe lieber keine Antwort, als eine, von der ich ausgehen muss, dass sie mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit falsch ist. Nehmen wir das Beispiel „Leben nach dem Tod“. Wir gehören zu den wenigen Tieren auf diesem Planeten, die sich überhaupt im Klaren sind, dass ihre Existenz einst enden wird. Darüber sind wir uns wahrscheinlich einig, ja?
Johannes Hartl — Außer, dass wir keine Tiere sind, meiner Meinung nach!
Philipp Möller — Ja, gut. Also. Da liegt natürlich der grundsätzliche Unterschied zwischen uns beiden. Ich betrachte uns Menschen nicht als Krone der Schöpfung, sondern als aufrecht gehende Affenart, die genauso aus dem Prozess der Evolution hervorgegangen ist wie alle anderen Tiere.
Johannes Hartl — Ist denn das, was du sagst, von gleichem Wahrheitswert wie das, was ein Affe sagen würde? Ich hoffe nicht!
Philipp Möller — Ein Affe kann ja nichts sagen.
Johannes Hartl — Okay, interessant. Du nimmst mit dem, was du sagst, Bezug auf wahr und falsch. Das ist etwas kategorial anderes, als alles, was ein Tier tut.
Philipp Möller — Ich nehme Bezug auf unsere Existenz, die – und das lässt sich durch Millionen von Umständen beweisen –, genauso aus den Prozessen der Evolution hervorgegangen ist, wie die des Affen. Wir haben gemeinsame Vorfahren, es gibt unheimlich hohe genetische Übereinstimmungen. Das Wichtige daran ist, dass wir uns als Spezies nicht derart überhöhen. „Du sollst dir die Erde untertan machen“, sagen ja die Christen. Ich halte Religion für den Ausbruch einer unfassbaren Selbstüberschätzung des Menschen. Der Theismus will auf die Frage, ob es ein Leben nach dem Tod gibt, eine Antwort geben und sagt: „Ja!“ Wir hingegen wissen heute aus der Hirnforschung, dass sämtliche neuronalen Prozesse, – also alles, was wir wissen, denken, fühlen, hoffen, glauben usw., – Ergebnis mentaler elektrochemischer Prozesse in unserem Gehirn sind. Wir wissen, dass sich unsere gesamte Persönlichkeit vollkommen ändert, wenn beispielsweise im Zuge einer Alzheimer-Krankheit nur wenige unserer Gehirnzellen absterben. Wenn jetzt alle Gehirnzellen tot sind, dann gehen wir aus einer naturwissenschaftlichen Perspektive davon aus, dass unsere Existenz damit vorüber ist. Ja, wir können in den Gedanken anderer weiterleben. Wir können Werke hinterlassen, ob in Kunst oder Literatur, aber, wir werden in dieser Form nicht weiterleben. Ganz ehrlich, ich fühle mich in meinem Leben auch so wohl, dass ich wünschte, es ginge ewig. Das gebe ich ganz ehrlich zu. Meine Tochter hat erst kürzlich auf der Couch gesessen und zu mir gesagt: Papa, ich will nie erwachsen werden. Und ich will auch nicht, dass ihr älter werdet. Ich will, dass alles immer so bleibt, wie es jetzt ist. Das ist schön. Das ist ein Zeichen dafür, dass man ein glückliches Kind hat.
Johannes Hartl — Wow! Schön.
Philipp Möller — Es wird dir, Johannes, nicht entgangen sein, dass mir auch ein gewisser Narzissmus innewohnt und ihm Rahmen dessen fällt es mir unheimlich schwer, mir vorzustellen, wie die Welt ohne mich überhaupt aussehen kann…
Beide lachen
Philipp Möller — …aber ich befürchte, dass es soweit kommen wird. Der Tod ist für mich also genau so ein Teil des Lebens. Und er sorgt dafür, dass jeder Augenblick, jede Sekunde unseres Lebens einmalig ist. Für die Behauptung, es gäbe ein spirituelles Leben danach, gilt: Niemand kann das beweisen. Und solange das niemand kann, ist sie für mich eine haltlose Behauptung. Wenn zu mir jemand kommt und meint: Philipp, ich habe einen unsichtbaren Drachen im Keller, der verbietet dir, dass du „Game of Thrones“ guckst, ist mir das vollkommen egal. Denn der andere muss mir erst beweisen, dass es diesen Drachen gibt. Und nicht ich muss seine Nicht-Existenz beweisen. Die Beweislast für eine Behauptung liegt bei demjenigen, der eine Behauptung aufstellt. Wenn das Konzept „Gott“ nicht schon von morgens bis abends, seit Jahrhunderten und gar Jahrtausenden, von den Mächtigen dieser Welt schamlos ausgenutzt werden würde, um damit eigene politische und territoriale Ziele durchzusetzen, dann müssten wir Atheisten, Agnostiker, Humanisten, Säkularisten nicht ständig hingehen und sagen: Leute, lasst euch doch nicht veräppeln! Wenn Gott Privatsache wäre, dann würde ich kein Buch schreiben mit dem Titel „Warum wir ohne Religion besser dran wären“. In Deutschland ist das Christentum aber Staatsreligion und deswegen müssen wir das auch kritisieren.
Johannes Hartl — Zunächst, zum Leben nach dem Tod: Du setzt eine materialistische Betrachtung des Menschen als gegeben voraus, die ich philosophisch für selbstwidersprüchlich und leicht zu widerlegen bezeichne. Wenn du Netze ins Meer wirfst und merkst, dass immer nur Fische rauskommen, die größer als zwei Zentimeter sind, kannst du entweder den Satz aufstellen „Es gibt keine Fische, die kleiner als zwei Zentimeter sind“, oder du kommst auf die Idee, die Maschengröße deines Netzes zu überprüfen. Ich behaupte, der Materialismus, dem du bisher mit deiner Argumentation folgst, ist notwendigerweise reduktionistisch. Das bedeutet, er schließt alles kategorial aus, was er sich nicht erklären kann, nachdem er eine Petitio Principii begangen hat. Das heißt, er hat als Aktion vorausgesetzt: Es gibt nur das, was ich naturwissenschaftlich beschreiben kann. Das ist aber keine Naturwissenschaft, sondern Naturalismus. Und der ist genau deswegen selbstwidersprüchlich, weil der Satz „nur Sätze der Naturwissenschaft können wahre Sätze sein“, selbst kein Satz der Naturwissenschaft ist. Daher ist der materialistische Reduktionismus philosophisch mit Sicherheit falsch. Zweitens: Du hast gesagt, dass wir von der Hirnforschung beispielsweise wissen, dass so etwas wie Persönlichkeit, dass alle unsere Ideen und Vorstellungen aus Gehirnreaktionen entstehen oder nur solche seien. Ich würde sagen, sie lassen sich als solche beschreiben, ja. Das ist aber nicht das gleiche, dass sie es auch sind. Der Philosoph Wittgenstein hat mal schön gesagt: Was unterscheidet den Satz „ich hebe meinen Arm“ von dem Satz „mein Arm hebt sich“? Die Philosophy of the mind versucht seit etwa einhundert Jahren ein Menschenbild zu erdenken, das auf das Subjekt und den Geist des Menschen verzichten kann. Und sie scheitert dabei ganz offensichtlich. Wenn du fragst, ob so etwas wie ein Weiterleben des Menschen nach dem Tod möglich ist, dann kann die Antwort des Materialismus nur sein: „Nein, weil der Mensch ist ja nur Materie.“ Hier liegt die Petitio Principii. Der Glaube hingegen ist die Hoffnung – die Hoffnung und nicht das Wissen! –, dass der Mensch eben nicht nur seine Moleküle ist und dass die Welt eben nicht nur die Menge von Masse und Energie im Universum ist, sondern dass es da mehr gibt. Der Atheist wiederum sagt: Diese Hoffnung ist trügerisch. Ich sehe das anders.
Philipp Möller — Der Atheist sagt, diese Hoffnung stirbt zuletzt. Aber auch sie stirbt.
Johannes Hartl — Das ist aber kein Argument, das ist eine Wortspielerei. Drittens, zum Hinweis zu den Mächtigen der Zeit. Dieses Argument finde ich ebenfalls nicht sehr stark. Denn dagegen spricht ja, dass Religion sich sehr wohl auch ausbreiten kann in Ländern, wo der Staat keine Religion fördert. Im Gegenteil, es gibt auch heute Leute, die gläubig werden, obgleich es sie Repressalien kostet. Hingegen gebe ich dir recht, es gibt Religion, die mit Gewalt ausgebreitet wird und das finde ich auch entsetzlich. Ich glaube nur: Eine Machtdynamik reicht keinesfalls aus, dass Menschen religiös sind.
Philipp Möller — Religiosität wird in der Regel vererbt. Natürlich gibt es Ausnahmen…
Johannes Hartl — Radikale Ausnahmen sogar!
Philipp Möller — Schon, aber das sind Einzelfälle.
Johannes Hartl — Nein, nein!
Philipp Möller — …wenn wir die Statistiken angucken, werden wir immer sehen, dass diejenigen, die christlich aufgewachsen sind, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ebenfalls Christen werden. Beziehungsweise andersrum: Diejenigen die heute Christen sind, meistens aus einer christlichen Sozialisation kommen.
Johannes Hartl — Vielleicht in Deutschland im 20. Jahrhundert. Aber momentan, – das wird dir sicher nicht entgangen sein, – ist zum Beispiel das Christentum der große Megatrend in China. Wenn das Wachstum dort so weitergeht wie bisher, wird China in etwa 5 bis 10 Jahren das bevölkerungsreichste christliche Land der Welt sein. Dort hat niemand christliche Eltern, dort nehmen auch keine politischen Mächte darauf Einfluss. Ich kenne selber Leute aus der chinesischen Untergrundkirche, die riskieren Kopf und Kragen gegen das – übrigens atheistische – System, wenn sie ihren Glauben leben. Und trotzdem breitet sich der Glaube rasend aus.
Philipp Möller — Da muss ich kurz festhalten: Ja, das atheistische ist ein politisches System, das tatsächlich ohne Gott auskommt. Dennoch ist es kein humanistisches System. Tatsächlich werden gegen mich ja oft die atheistischen politischen Systeme des 20. Jahrhunderts ins Feld gebracht. Doch das lass ich nicht mit mir machen! Ich glaube zwar nicht an Gott, genauso wie ich auch nicht an die Zahnfee glaube, aber ich glaube sehr wohl an die menschliche Selbstbestimmung. Damit bin ich in einem gigantischen Widerspruch zu sämtlichen diktatorischen Haltungen. Ich bin nicht nur Christentum-Kritiker, ich bin auch Religionskritiker und Ideologie-Kritiker. Immer dann, wenn Menschen ihre Überzeugungen nicht mehr hinterfragen oder auf den Prüfstein stellen, dann wird es für mich problematisch. Und wenn dann noch angefangen wird, anderen diese Überzeugungen aufzuzwingen, dann noch mehr. Ich will auch gar nicht darüber streiten, wie Religion entstanden ist und ich würde auch nie bezweifeln, dass Religion eine gigantische Geschichte und Bedeutung für unsere Menschheit hatte. Musik und Kunst, die aus Religion hervorgegangen ist, haut mich teilweise um. Wenn ich Mozarts Requiem oder Vivaldis Stabat Mater höre, fange ich sofort an zu heulen. Aber wir dürfen deswegen nicht hingehen und in einem säkularen Staat des 21. Jahrhunderts einer Religion den Vorzug vor anderen Weltanschauungen geben. Und ihr auch noch die Steuermilliarden in den Hintern blasen.
Johannes Hartl — Okay. Jetzt habe ich aber eine Frage: Wenn du der Meinung bist, – dein Buch heißt ja auch „Gottlos glücklich – Warum wir ohne Religion besser dran wären“ – dass eine Gesellschaft ohne Religion besser dran wäre, was genau läuft zum Beispiel in Sachsen, wo praktisch kein Mensch getauft ist, fundamental besser, als in Bayern, wo fast jeder getauft ist? Es müsste doch deiner These nach einen riesigen Unterschied geben. Müsste es den Sachsen nicht unglaublich viel besser gehen als den Bayern?
Philipp Möller — Nein. Wenn wir die DDR betrachten, dann betrachten wir einen Zeitraum, in dem eine politische Religion die Alleinherrschaft übernehmen wollte und es auch getan hat…
Johannes Hartl — Eine politische Religion?!?
Philipp Möller — Ja, der Sozialismus in dieser Form…
Johannes Hartl — Was ist daran Religion?
Philipp Möller — Das ist für mich ein politisches Glaubenssystem – deswegen nenne ich es nicht Religion, sondern politische Religion – mit Heiligen, mit heiligen Schriften, mit nicht zu hinterfragenden Grundsätzen, mit Dogmen; ein dogmatisches politisches System. Und innerhalb einer Gesellschaft kann nur ein System mit Anspruch auf Alleinherrschaft, beziehungsweise Deutungsherrschaft, bestehen. Und deswegen musste man in der DDR alles daransetzen, das Christentum auszublenden.
Johannes Hartl — Dann bist du also kein Feind von Religion, sondern ein Feind von Ideologie.
Philipp Möller — Ja, wie eben schon gesagt. Und ich bin nicht dafür, Religion abzuschaffen, sondern ich bin dafür, den Glauben Privatsache werden zu lassen. Der Titel meines Buches – ganz ehrlich – ist einfach stark. Ein Titel ist die halbe Miete. Ich hätte natürlich, um das alles philosophisch korrekt zu bezeichnen, den Titel nicht „Gottlos glücklich“ nennen dürfen, sondern eher „Zufriedenheit durch Selbstbestimmung“ oder so. Aber man muss etwas auch zuspitzen können. Ich vertrete daher nicht die Meinung, dass wir ohne persönlichen Glauben besser dran wären, sondern, dass wir ohne Religion als gesellschaftliches System besser dran wären.
Johannes Hartl — Es lässt sich historisch relativ leicht zeigen, dass selbst die Werte der Aufklärung letztendlich Werte sind, die dem christlichen Menschenbild entspringen.
Philipp Möller — Dieses „christliche Menschenbild“ ist ein System, das du ja auch vertrittst, und bei dem bei Weitem ja nicht nur „Friede, Freude, Eierkuchen“ oder „wir haben uns da was Schönes ausgedacht“, sondern vielmehr „wenn ihr alle lieb seid, dann fließt da oben Milch und Honig“ angesagt ist. Ich kann dir auch sagen: Du hältst jetzt bitte durch und am Ende kriegst du ein Gummibärchen. Das funktioniert aber nur mit dem Gegenspieler. Die Hölle und der Teufel sind ja nach wie vor Teil dieser Weltanschauung. Es ist vor allem ein Spiel mit der Angst! Und da beginnt für mich der mentale Missbrauch. Aber wahrscheinlich will jemand wie du vom Teufel gar nichts wissen?
Gute Stichworte: Gut und böse, Himmel und Hölle.
Johannes Hartl — Zunächst einmal glaube ich, dass Atheisten etwa genauso gute oder schlechte Menschen sind wie Christen auch. Ich glaube, dass Menschen einen moralischen Kompass in sich drin haben und dass sie keine metaphysische Begründung bedürfen, um den zu haben. Punkt. Dem materialistischen Menschenbild hingegen fehlt komplett eine Theorie für die Bedeutung des Bösen im Menschen. Ein Beispiel: Wenn es so wäre, dass wir nur das Produkt einer Evolution sind, dann dürften wir die Frage nach dem Bösen gar nicht haben. So wie der Fisch. Der fühlt sich niemals nass, schließlich kennt er nur Wasser. Wenn alles biologische Leben – nach Darwin – nur fressen und gefressen werden ist, müssten wir als Menschen das komplett normal finden. Diese Einstellung, zu sagen, ich finde es auch dann böse, wenn jemand für meinen persönlichen Rassenerhalt stirbt, die lässt sich durch ein rein materialistisches Menschenbild nicht erklären. Doch was genau kann das Herzen eines Menschen von innen heraus positiv verändern? Jeder Mensch wird sich dieser letzten Frage spätestens in seiner Sterbestunde stellen.
Du hast dich diesen Fragen schon jetzt gestellt. Was ist für dich die Antwort?
Johannes Hartl — Dass das Leben und die Welt ein Geschenk von jemand Gutem ist. Ich sehe in der Welt Schönheit und Güte. Ich empfinde das Böse eher als Abwesenheit von dem und nicht als eigene, kreative Kraft. Und deswegen glaube ich, dass letztendlich alles Sein Geschenk von Jemandem ist und dass dieser Jemand gut ist. Gott. Das kann ich nicht beweisen, das ist ein Vertrauensakt.
Philipp Möller — Ach, wie gerne hätte ich eine solch simple Perspektive auf die Dinge. Man kann es sich auch wirklich einfach machen, Johannes. Ehrlich! Den Satz, den du eben gesagt hast, den hört man auch – mit Verlaub – auf jeder Esoterikmesse. Das ist mir zu wenig. Der moralische Kompass, von dem du sprichst, der zwischen Gut und Böse unterscheidet, der hat ein ganz großes Problem, nämlich, dass er nur zwischen Gut und Böse unterscheiden kann. Das ist ein bipolares, ein Schwarzweißdenken, das ich nicht teile. Nach meiner Ansicht ist es viel sinnvoller, in den Kategorien fair und unfair zu denken. Jeder Mensch hat das Recht auf Freiheit und das Recht auf Selbstbestimmung. In dem Moment, wo ich die Rechte und die Interessen anderer Menschen einschränke oder verletze, tue ich etwas Unfaires. Darauf basieren unsere Gesetzbücher. Und dieses Wissen haben die Menschen schon lange vor der Erfindung des Christentums gehabt.
Johannes Hartl — Du nennst es Gesetz, dass wir fair vor unfair bevorzugen. Wer ist der Gesetzgeber dieses Gesetzes? Woher kommt das?
Philipp Möller — Es kommt von uns Menschen selbst.
Johannes Hartl — Und warum ist dieses Gesetz bindend? Was verleiht ihm die bindende Kraft?
Philipp Möller — Durch die Empathie, die wir untereinander empfinden. Ich will nicht, dass mir etwas verboten wird, also soll ich auch nicht hingehen und anderen etwas verbieten.
Johannes Hartl — Woher kommt das „also“ in deiner Aussage? Warum sollte deine Erkenntnis auch mich verpflichten, das zu tun?
Philipp Möller — Weil ich Mensch bin und weil ich friedlich leben möchte und das nur kann, wenn andere auch friedlich leben.
Johannes Hartl — Doch nicht notwendigerweise. Warum haben die Schimpansen dieses Gesetz nicht?
Philipp Möller — Moment, bei Schimpansen gibt es sehr wohl Verhaltensregeln, die wir sehr gut beobachten können und die auch unseren Verhaltensregeln gar nicht so unähnlich sind.
Johannes Hartl — Wir Menschen haben aber Verhaltensregeln, die mich auch dann betreffen, wenn sie mir persönlich einen Nachteil bringen. Das ist etwas kategorial Verschiedenes, von dem, was du biologistisch beschreiben kannst. Das heißt, ich empfinde es auch dann als unfair, wenn etwas intrinsisch schlecht ist und obwohl es mein Überleben sichert. Das ist das Gegenteil deines darwinistischen Beschreibungsmodells.
Philipp Möller — Okay. Ich weiß nicht ganz, worauf du hinauswillst. Ich finde es als sinnvoller, nach fair und unfair zu fragen, und ich halte es für sinnvoller, Aufklärung und Selbstbestimmung hochzuhalten, als auf Basis eines 2000 Jahre alten und von Menschen geschriebenen Buches zu behaupten, manche Handlungen seien falsch und andere seien richtig. Mit diesem bipolaren Weltbild kann man vielleicht Drehbücher für Harry Potter und Star Wars schreiben, eine moderne Gesellschaft kann man damit nicht gestalten.
Johannes Hartl — Jede Entscheidung ist grundsätzlich bipolar. Wenn sie eine gute Entscheidung ist, ist sie eingebettet in verschiedene bipolare Systeme.
Philipp Möller — Ja gut, das bedeutet aber nicht, dass ich anfangen muss, meine eigenen moralischen Vorstellungen auf Menschen zu übertragen, die diese moralischen Standards überhaupt nicht teilen.
Johannes Hartl — Aber, Philipp! Genau du sagst doch, dass die moralischen Standards, von denen du sprichst, allgemeinverbindlich seien. Sonst könnten wir doch gleich sagen: Du bist für Humanismus und ich bin dafür, dass wir Menschen umbringen – beides ist gleichwertig. Du bist doch auch der Meinung, dass das, was du sagst, allgemeinverbindlich ist. Zum Beispiel, dass Fairness gelten soll!
Philipp Möller — Wenn wir zusammenleben wollen, dann müssen wir unsere Regeln aufstellen, die uns dieses friedliche Zusammenleben ermöglichen. Und diese Regel soll lauten: Jeder Mensch soll so leben können, wie er will, solange er die Rechte und Interessen der anderen nicht verletzt.
Johannes Hartl — Nein, dem ist nicht so! Denn, wenn ich zu dir kommen und sagen würde: Ich glaube alles, was du sagst, aber es gilt nur für meine Ethnie, dann hast du nichts, aber auch gar nichts, was du dem entgegensetzen kannst.
Philipp Möller — Doch, Menschen sind alle gleich viel wert. Vollkommen egal woher…
Johannes Hartl — (unterbricht energisch) Ich könnte sagen: Überhaupt nicht wahr, sie sind nicht gleichwertig! Zum Beispiel sind sie deswegen nicht gleichwertig, weil sie unterschiedliche Geschlechter oder Hautfarben haben. Man kann da beliebig einsetzen, warum Menschen nicht gleichwertig sein könnten und du kannst mit deiner Theorie niemals letztgültig sagen, warum nicht. Genau das ist unter atheistischen Systemen oft passiert.
Philipp Möller — Ich glaube, dass Frauen und Männer vollkommen gleichberechtigt sind. In der katholischen Kirche ist das natürlich nicht der Fall. Das ist auch ein Grund, warum ich mit theistischen und chauvinistischen Religionen ein Problem habe.
Johannes Hartl — Ich sage nur, dass eine rein materialistische Ethik-Begründung in ihrem Allgemeinheitsanspruch scheitern muss.
Philipp Möller — Okay. Dann muss deiner Meinung nach, wenn es rein materialistisch nicht geht, eine spirituelle Ebene her? Oder was willst du damit sagen?
Johannes Hartl — Der Mensch findet etwas vor. Und das beginnt für mich übrigens nicht damit, dass ein heiliges Buch vom Himmel fällt. Ich glaube, dass die Wahrnehmung, dass es wirklich Gut und Böse gibt, tief im Menschen eingegraben ist und sich in allen Kulturen und allen Ethnien der Zeit aufweisen lässt. Das ist eines der Dinge, die nach einer Erklärung schreien. Es widerspricht der Denkweise, dass der Mensch nur ein Haufen von Molekülen ist.
Philipp Möller — Ich bin nicht der Meinung, dass der Mensch nur ein Haufen von Molekülen ist. Aber ich sage auch, dass er ohne diesen Haufen von Molekülen eben gar nichts wäre. Ich bin kein Vertreter des Dualismus, der genau sagt, wann die Seele in den Haufen von Molekülen einfährt. Ich bin der Meinung, dass unsere Psyche aus diesen Molekülen hervorgeht. Und ich halte es für sehr problematisch, zu behaupten, ohne Religion sei kein Rechtssystem möglich. Ich sage stattdessen: Liebe Leute, lasst uns mal hier unsere säkulare Ethik gestalten und daraus Gesetze entwickeln. Wenn ihr religiös denken wollt, dann tut es, aber haltet euch an die Gesetze.
Johannes Hartl — Es gibt halt noch keinen einzigen Staat, wo das bislang längerfristig funktioniert hat. Vielmehr gibt es nur Staaten, wo das katastrophal gescheitert ist. Denken wir an all die kommunistischen Experimente, die in riesigen Katastrophen endeten. Deine Thesen sind ja im Wesentlichen jene der französischen Aufklärung. Schon unter Robespierre hatten wir in Frankreich ein katastrophales System, das die Menschen umgebracht hat. Ich höre jetzt seit 300 Jahren von Atheisten, der Säkularismus mache uns friedlicher. Ich frage mich, wie oft es Staaten denn noch ausprobieren müssen, um zu checken, dass dies einfach nicht stimmt?
Philipp Möller — Du verwechselst Atheismus und Säkularismus.
Johannes Hartl — Jaja, eines Tages kommen die guten Atheisten. Bis jetzt haben wir halt immer die schlechten erwischt. Mit genau den gleichen Thesen ist übrigens auch Karl Marx angetreten, vor 150 Jahren im kommunistischen Manifest. Er hat gesagt: Gerade der dialektische Materialismus befreit uns von der Unmündigkeit der Proletarier. Wir müssen Gott raushaben, wir müssen Religion raushaben, wir müssen die Bourgeoisie raushaben. Dann kommt Friede. 100 Millionen Tote im 20. Jahrhundert später… Ich weiß schon, du bist kein Kommunist, das unterstelle ich dir kein bisschen. Ich sage nur: Der Atheismus ist garantiert nicht die Lösung!
Philipp Möller — Allein nicht an Gott zu glauben ist natürlich noch lange keine Basis für eine Politik. Das ist ja klar.
Johannes hat das Leid angesprochen, das durch menschliche Systeme über Menschen gekommen ist. Grundsätzlich ist das Leiden in dieser Welt ein Thema, an dem sich Gläubige wie Ungläubige argumentativ schwertun. Stichwort Theodizee-Frage. Philipp, wie begegnest du persönlich dem Leiden?
Philipp Möller — Meine Botschaft lautet immer: Wir sollten als die reichsten Industriestaaten der Welt alles dazu beitragen, dass es den armen und gebeutelten Menschen dieser Erde auch besser geht. Dafür gibt es staatliche, nichtreligiöse Hilfsorganisationen. Freunde von mir in der Schweiz haben die Stiftung für effektiven Altruismus gegründet. Das sind Leute die sagen, jeder soll 10 Prozent seines Vermögens und Einkommens spenden, um das…
Johannes Hartl — … die 10 Prozent kenne ich irgendwoher. Die kommen aus der Bibel!
Philipp Möller — Genau, das gab es sicherlich auch schon vorher. Menschen konnten auch schon vor der Bibel rechnen. Die haben ein System aufgebaut, um Menschen effektiv zu helfen. Ich fliege bestimmt nicht hin, wenn der Tsunami da war und pack mir die Bibel in die Arschtasche und sage: So, liebe Leute, es wird schon alles gut gehen, Gott wird es schon richten. Ich fände es sinnvoller, hinzufahren und tatsächliche Hilfe zu leisten. Damit will ich nicht ausschließen, dass auch Christen das tun. Aber sie tun es nicht exklusiv, denn die Hilfsbereitschaft, die sich beispielsweise in der Spendenbereitschaft zeigt, ist in Deutschland genauso hoch wie unter Nicht-Christen. Atheisten tragen genauso dazu bei, dass es weniger Leid auf der Welt gibt.
Johannes Hartl — Ich behaupte: Das größte Leid des Menschen kommt durch die Sinnleere. Einer, der durch extremes Leiden geht, braucht nicht nur Medikamente, sondern auch Antworten. Und genau diese bietet der Atheismus nicht.
Philipp Möller — Naja, dieser Mensch braucht tatsächlich menschliche Fürsorge, würde ich auch sagen.
Johannes Hartl — Nein, nicht nur. Er braucht konkrete Antworten.
Philipp Möller — Auf manche Fragen gibt es eben keine Antworten. Ihr könnt dann so tun als ob, aber…
Johannes Hartl — (Unterbricht energisch) Nein, nein, du hast einfach für dich entschieden, welche Antworten du zu akzeptieren nicht bereit bist. Es nimmt dir keiner dieses Recht. Doch es macht die Antworten an sich kein bisschen unplausibler.
Ihr seid ja beide Familienväter. Wenn nun eines eurer Kinder im Teenager-Alter zu euch kommt und euch fragt: Papa, was ist eigentlich der Sinn des Lebens? Was würdet ihr antworten?
Johannes Hartl — Ich würde zwei Worte sagen: Lieben lernen. Ich glaube, das ist der Grund, warum Gott Menschen geschaffen hat: weil er Liebe ist und Liebe sich immer verschenkt. Lieben hat seinen Sinn in sich selber. Und ich glaube, dass dies aufs ganze Leben hochgerechnet auch stimmt, dass die Liebe die Beantwortung der Sinnfrage ist.
Philipp Möller — Das Leben an sich hat keinen vorgegebenen, eindimensionalen Sinn, den man in einem Wort wie Liebe zusammenfassen könnte. Liebe ist so etwas Vielschichtiges, Vieldimensionales, Kompliziertes. Deswegen finde ich das schonmal viel zu einfach. Ich würde meiner Tochter sagen: Schon alleine, dass du so eine Frage stellst, ist schon der Sinn des Lebens. Der Sinn des Lebens besteht in meiner ganz hedonistischen Perspektive tatsächlich im Glück. Darin ein zufriedenes und friedliches Leben zu führen und an so vielen Stellen wie möglich dazu beizutragen, dass es auch anderen gut geht.
Letzte Frage an beide: Was wünscht ihr dem jeweils anderen unmittelbar jetzt, zum Schluss dieses Gespräches?
Johannes Hartl — Ich fand das Gespräch extrem angenehm. Ich finde dich, Philipp, total sympathisch. Ich mag deinen Humor und wie du argumentierst – sehr erfrischend. Für mich persönlich ist der Glaube an Gott ein ganz großer Schatz. Natürlich wünsche ich dir, dass du den entdeckst. Genauso wünsche ich dir, dass du deinen Humor und deine Lebensfreude dir erhältst und dass es dir von Herzen gut geht!
Philipp Möller — Ja, da mache ich dir direkt wenig Hoffnung, mit dem Schatz…
Johannes Hartl — Tja, wer weiß es…
Philipp Möller — …man sollte niemals nie sagen, das ist schon richtig. Ich habe mir ja tatsächlich schon gedacht, dass ich hier mit einem sympathischen Typen sprechen werde. Und das ist auch eingetreten. Ich glaube, dass wir uns auch noch weiterhin drei Stunden lang unterhalten könnten…
Johannes Hartl — Ja, glaube ich auch…
Philipp Möller — …und es uns nicht langweilig und auch nicht unsympathisch würde. Ich wünsche dir viel Nerven für die vier Kinder. Und auch gesundheitlich wünsche ich dir alles Gute, ich glaube, dass dies etwas ist, was uns niemand geben kann, außer wir selbst. Oder vielleicht ein bisschen unsere genetische Konstitution. Aber gibt es etwas Wichtigeres, als gesund zu sein? Ich glaube nicht. Und was ich dir zuletzt wünsche, ist weiterhin viel Erfolg, mit dem, was du so tust. Ich habe inhaltlich zwar keine Überschneidung damit, in vielen Punkten auch keine Sympathie. Ich habe gar eine ausgesprochene Antipathie gegenüber dem christlichen Weltbild. Trotzdem alles Gute, mit dem, was du tust.
Ich bedanke mich bei euch! Tschüss nach Berlin, tschüss nach Augsburg!
MARTIN ITEN, 31, kam in diesem Gespräch kaum zu Wort, was dem langjährigen Radiomoderator und Dauerredner sonst selten passiert.
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